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H2-Wissen-Neu

Flexibler Einsatz, vielfältiger Nutzen

Anwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff im Wärmesektor

In der Wärmeversorgung liegt der wohl stärkste Hebel zum Erreichen der Klimaziele: Etwa die Hälfte der gesamten hierzulande verbrauchten Endenergie entfällt auf das Heizen (und Kühlen) von Gebäuden, auf das Bereiten von Warmwasser sowie auf die industrielle Prozesswärme. Dabei dominieren die fossilen Brennstoffe, allen voran Erdgas – nur rund 15 Prozent des Wärmebedarfs wird bislang durch erneuerbare Energien gedeckt.

Die Gebäudesanierung, der Einsatz von Wärmepumpen und der Aus- und Neubau von Wärmenetzen sind die wichtigsten Stellschrauben, um den Wärmesektor klimafreundlicher zu gestalten. Doch auch grüner Wasserstoff spielt hier eine wichtige Rolle – als CO2-neutraler Energieträger, der sich auf vielerlei Weise in der Wärmeversorgung einsetzen lässt. Grüner Wasserstoff trägt nicht nur dazu bei, die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren: Wie eine Studie von Frontier Economics zeigt, kann er auch sicherstellen, dass winterliche Lastspitzen im Stromsektor, die durch den Einsatz von Wärmepumpen auftreten, nicht allzu hoch ausfallen. Damit stärkt Wasserstoff die Versorgungssicherheit in der Stromversorgung.

Wasserstoffnutzung

Der Einsatz von Wasserstoff im Wärmesektor ist auf drei Arten möglich: das Nutzen der Abwärme eines Elektrolyseurs in Wärmenetzen, das Einspeisen von Wasserstoff in das bestehende Gasnetz oder der direkte Einsatz von Wasserstoff in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK).

Nutzen der Abwärme von Elektrolyseuren: 

Grüner Wasserstoff wird per Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt. Dieser Prozess erreicht je nach eingesetztem Verfahren einen Wirkungsgrad von etwa 60 bis über 80 Prozent. Von zehn Kilowattstunden Strom, die ein Elektrolyseur benötigt, finden sich also rund sechs bis acht Kilowattstunden als Energie im erzeugten Wasserstoff wieder, die restlichen zwei bis vier Kilowattstunden werden zu Abwärme. Sie kann mit Hilfe eines Wärmetauschers ausgekoppelt und verwertet werden, etwa in einem Wärmenetz. Das erhöht den Gesamtwirkungsgrad des Systems deutlich. 

Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt das Beispiel der nordfriesischen Gemeinde Bosbüll: Hier sind zwei Elektrolyseure installiert, die mit Strom aus zwei Windrädern und einer großen Photovoltaik-Anlage grünen Wasserstoff erzeugen. Die dabei entstehende Abwärme speisen die Betreiber in ein lokales Wärmenetz, das Wohnhäuser, öffentliche Einrichtungen und einen großen landwirtschaftlichen Betrieb versorgt.

Einspeisung von Wasserstoff ins Erdgasnetz: 

Auch wenn sich Wasserstoff von Erdgas chemisch deutlich unterscheidet, so darf er doch in geringen Maßen ins bestehende Gasnetz eingespeist werden. Bei der Einspeisung von Wasserstoff ins Erdgasnetz sind Einspeisekriterien der jeweiligen Gasleitungen einzuhalten. Der zulässige Anteil im Gasnetz beträgt dabei heute maximal 9,99 Prozent. Somit ist ein Standort mit einem kontinuierlich hohen Gasdurchfluss im Erdgasnetz für Elektrolyseure von Vorteil. Geringe Erdgasdurchflüsse können dazu führen, dass es schon durch kleine Mengen von Wasserstoff zu einer lokalen Überschreitung der zulässigen Höchstgrenzen kommt.  Die oben genannte Grenze zur Einspeisung gilt unter anderem deshalb, weil sich das Brennverhalten des Gases mit zunehmendem Wasserstoff-Anteil ändert. Pilotversuche zeigen aber, dass auch höhere Anteile im Erdgasnetz möglich wären. Mit der Beimischung von grünem Wasserstoff zum Erdgas sinken die CO2-Emissionen bestehender Gasheizungen automatisch um den Prozentsatz des Wasserstoff-Anteils. 

Allerdings steht die Beimischung in Gasnetz in der Kritik: Es gibt deutlich effizientere und kostengünstigere Hebel, die Klimabilanz der Wärmeversorgung zu verbessern, lautet die Argumentation – grüner Wasserstoff sollte stattdessen vielmehr vor allem dort verwendet werden, wo es technisch keinen anderen Weg zur Reduktion der Emissionen gibt, etwa in der Stahl- oder der Zementindustrie.

Direkte Wasserstoffnutzung in KWK-Anlagen: 

Wasserstoff lässt sich auch als Energieträger in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage einsetzen, in einem Blockheizkraftwerke (BHKW) oder einem Gaskraftwerk genauso wie in Brennstoffzellensystemen. Sie alle erreichen hohe Wirkungsgrade, da die in den Anlagen anfallende Wärme verwertet wird – etwa durch die Einspeisung in ein Wärmenetz, durch die direkte Versorgung umliegender Gebäude oder durch die Nutzung als Prozesswärme in der Industrie.

Besonderen Charme hat der Einsatz von grünem Wasserstoff in diesen Anlagen, weil er damit zu einer Art Stromspeicher wird, mit dem sich Fluktuationen bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien ausgleichen lässt. „Geladen“ wird dieser Speicher bei der Elektrolyse, „entladen“ durch die bedarfsgerechte Stromerzeugung in einer KWK-Anlage. Die Gasturbinen und -motoren in den bestehenden BHKWs und Gaskraftwerken sind allerdings auf den Einsatz von Erdgas ausgelegt. Daher entwickeln die Hersteller derzeit Turbinen und Motoren, die eine hohe Beimischung von Wasserstoff erlauben oder gleich ganz auf diesen Energieträger ausgerichtet sind. So erprobt der Versorger HanseWerk Natur zum Beispiel derzeit in Hamburg ein neuartiges BHKW, das sich mit Wasserstoff oder auch einer Wasserstoff-Erdgas-Mischung betreiben lässt.

Die Produktion von grünem Wasserstoff ist heutzutage noch sehr teuer. Das macht dessen Einsatz im Wärmesektor unattraktiv. Mit dem Aufbau großer Produktionsanlagen in Deutschland wie in Exportländern werden Kostensenkungen erwartet. Dass sich Wasserstoff gut per Pipeline oder, bei sehr großen Entfernungen, per Schiff transportieren lässt, spielt dieser Entwicklung in die Karten.

Dabei ist allerdings klar: Ein Allheilmittel für den Wärmesektor ist Wasserstoff nicht. Welcher Weg zur Bereitstellung der benötigten Wärme am sinnvollsten ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Dank seiner vielseitigen Einsatzmöglichkeiten kommt grünem Wasserstoff im Instrumentenkasten aber eine große Bedeutung bei.

Quellenangaben:

 

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